Genre: Wienerlied
Rate: 192 kbps CBR / 44100
Time: 01:00:52
Size: 83,49 MB
Obwohl längst mit Legendenruf umkränzt, haben es Wolfgang V. Wizlsperger, Heinz D. Ditsch und Paul C. Skrepek nur bis zum Regionalkaisertum gebracht. In Bezug auf darstellerisches Talent und Interpretationskunst sind sie allerdings unschlagbare Weltmeister und das, obwohl oder gerade weil die kompositorischen Maschen oft kein kompliziertes Norwegermuster zeigen, sondern glatt-verkehrt gestrickt sind. Potenzial vergoldet mit Grandezza, könnte frau meinen. Vielleicht ist es mir wegen der mehrschichtigen und nuanciert dargebotenen Texte noch nie so aufgefallen, aber die nähe von Kollegium Kalksburg zum Volksmusik- und Wienerliedmuster ist größer als ich dachte – mit einer Titeletikette wie fiaka foan (11) hat das allerdings wenig zu tun. Mit steigender Trackzahl auf dieser CD wird aber ein immer anspruchsvolleres Zopfmuster eingeflochten, um beim fleischhokka (14) seine volle querulante Maschenbreite zu grunzen.
Das CD-Entrée führt uns zunächst in jenes hölzern-unheimliche Dunkel, wie es hier blauboad (1) von Ernst Kölz baut. Aber dann taucht auch schon Kasperls Krokodil aus der Urania auf (wer mag, kann dahinter die Kollegium Kalksburg Silhouette erkennen). Es war und ist nicht artig, hat oft eins über die Rübe gezogen bekommen, gibt aber die Arschkarte unter kollektiver Mitleidsbekundung weiter. Es wälzt im Sülzchen der Selbstbejammerung und gefällt sich im eigenen Spiegelbild doch recht gut – mit Recht! Es planscht ja nicht im Nil, sondern in der Donau. Rührselig zwinkern uns die drei Scheinpensionisten zu, während sie im Kreis gehen, ihren sich selbst frotzelnden Abgesang anstimmen, die Blumen im Schnee vergraben, um sie dann doch wieder hervorzuholen und sie als sterbende CD in der Blumenvase auf dem Tisch drapieren. Wehleidig, empfindlich, fast weinerlich mutet das Krokodilkollegium in seiner Lebenszwischenabrechnung an. Eine ernste Sache, ganz im Gegensatz zum hoffnungsfrohen CD-Titel weid sama kuma. Aber nein, keine Sorge, der Schein trügt, es sind Krokodils-tränen. Die positive Kraft des Zweckpessimismus, ein ins Gegenteil kippendes Phlegma, lässt doch die Freude erst so richtig auferstehen! Die nahrhaften woidfiadla (7) geben Kraft und überholen mit südamerikanischen Heimatklängen Mimesis und Epigonentum. Was bei anderen auf zwei Gitarren aufgeteilt wird, zupft sich Skrepek allein, Wizlsperger vermag sich im Papageienkäfig sonor oder kräftig zu geben, während Ditsch unbeeindruckt vor sich hin melodiert, kreiert und ziert. Dialekt in Hochsprache übersetzt, fühlt sich ungefähr so an wie ein gegenderter Liedtext. In der reimschule rennweg (8) verbindet Kollegium Kalksburg in Simultanübersetzung beides und multipliziert damit das Potenzial des absurd Realen. Dass die Krokodile auch anders können, zeigt das poetische Nachtgewächs in seiner existenziellen Not (9) – hier klingt sogar der Bläser sehnsüchtig, die Herzen fliegen flach. Georg Danzers Zeitansager wirft aber das Handtuch (12) und sein nicht jugendfreier Freund vouschdodcasanova (13), der als fescher Gustl mit seiner immer harten 'Röhrn' durchs Leben spukt, begrüßt im Nachspann mit 'autumn leaves' die Pforten der Nacht. Im Dunkeln ist aber gut funkeln. Als vorletzte Nummer lässt Antonio Fians Musik-Dramolett zum 1. Mai den vom Rauchverbot geschwächten, auf drei Tapfere geschrumpften Arbeitermassenchor aufmarschieren und das allseits bekannte 'Völker, hört auf zu rauchen!' ansingen (17).
Ohne Verdrossenheit und Schwarzblick geht's bei Kollegium Kalksburg nicht, keine Chance auf ein Weiterkommen ohne diese Vorzüge. Vorwärts, liebe Kollegen! Und nehmt uns bitte unbedingt mit, denn zum Greisentum ist's noch soooo weit ...
Ich kann dem werten Leser eine Empfehlung zu dieser Rezension geben: Lassen Sie sich die wahre Geschichte direkt von der CD erzählen! (Iris Mochar-Kircher)
01 - Blauboad 01:56
02 - Am Nil 03:06
03 - Von Weid Sama Kuma 03:10
04 - Mir Ist Schon Alles Ganz Egal 06:13
05 - Fridattencouplet 04:12
06 - Hermi 01:42
07 - Woidviadla 05:57
08 - Reimschule Rennweg 03:27
09 - Wie Junge Zwiebel 02:38
10 - I Hob Scho Vü Erlebt 02:00
11 - Fiaka Foan 01:17
12 - Zeitansage 04:21
13 - Vorstadtcasanova 05:40
14 - Fleischhokka 05:06
15 - Wochentagebuch 01:34
16 - Mia Grausd Voam Göd 00:50
17 - 1. Mai 2008 04:22
18 - Am Triwan 03:21
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